My Jerusalem
Performance
Performance-Festival HYBRID, Münster 2001
Eine Nachrichtensprecherin am Tisch liest kühl einen in der Ich-Form erzählten Text, der von den Erlebnissen einer Deutschen in Israel handelt. Immer wieder unterbricht sie sich und läßt Stimmen und Geräusche aus Jerusalem zu Wort kommen. Sie setzt ihre eigene Stimme chorisch vervielfacht dazu, bespielt einen Wasserkessel wie ein Percussions-Instrument.
Die Performance spiegelt die Zerissenheit des Landes, aber auch die der Erzählerin. Ein Koffer, der nicht zu Ende gepackt werden kann, Hefeteig, der zum jüdischen Challa, zum „christlichen“ Osterzopf, zum arabischen Fladenbrot geknetet wird, Luftpostbriefe, die mit hebräischen Schriftzeichen versehen werden, gefaltet wie Flugzeuge und Einzelnen aus dem Publikum überreicht, mit der Übersetzung des jeweiligen Begriffs. Insgesamt ergeben die Worte eine Zeile aus einem Gedicht des israelischen Dichters Yehuda Amichai: "we are the instruments of a hard love". Zum Schluss verläßt die Nachrichtensprecherin den Raum in einem großen Koffer, nur Kopf und Beine sind noch sichtbar.
Israel: Das hieß für mich, eine Sprache, eine Kultur erst einmal nicht zu verstehen. Vielleicht gerade deshalb das Besondere zu sehen, zu hören. Der Kopf funkt nicht dazwischen. Mein Ohr begann, aufmerksam zu werden. Nicht nur die Sprache klang anders, der Klang so viel wichtiger, wenn die Bedeutung fehlt. Auch das Land hat andere, neue Töne. Wochenlang stromerte ich mit einem Mikrofon herum und nahm auf, was mich interessierte, mich berührte. Klischees wie die Muezzins im arabischen Teil der Altstadt von Jerusalem. Oder scheinbar Banales, einen Wolkenbruch in Tel Aviv. Kinderspiele in einem Hof in der Via Dolorosa. Schritte auf den unzähligen Steinstufen, mit dem trockenen Echo, das die steineren Häuser, Mauern, Bögen zurückwerfen. Gesänge orthodoxer Juden zum Laubhüttenfest. Gespräche meiner israelischen Mitbewohner in der WG. Israel, ein Klanghybrid. Gegensätzliche, einander feindlich gesinnte Kulturen auf engstem Raum. Selten habe ich so intensiv gelebt, so sinnlich und zugleich brutal. Es war die Zeit der ersten Selbstmordattentate, kurz nach Rabins Ermordung. Es schien nicht die richtige Antwort, Performances zu machen, und doch war es die einzige, die ich hatte.